Valparaíso, August 2016

Die Hafenstadt Valparaíso liegt gut 100 km westlich von Santiago de Chile am Pazifik. Der Hafen hat die Stadt mit heute über 300.000 Einwohnern seit jeher geprägt und durch Händler und Einwanderer zu einem weltoffenen Ort gemacht. Einst war die Stadt der wichtigste Hafen Chiles und ganz Südamerikas. Schiffe, die vom Atlantik kommend in Richtung Kalifornien unterwegs waren, machten nach der Umfahrung des Kap Hoorns Station in Valparaiso, um dort Proviant aufzunehmen. Zudem war Valaparaiso auch der wichtigste Seehafen Chiles. Mit dem Bau des Panamakanals verlor der Hafen und somit die Stadt aber rasant an Bedeutung. Zudem wurde Valparaiso immer wieder von starken Erdbeben und Bränden heimgesucht, die auch zum Niedergang Valaparaisos beigetragen haben.

Die Bewunderung gilt heute sicher nicht den Beton- und Glaspalästen im Zentrum oder dem ziemlich verfallenen Hafenviertel, sondern den sich auf den Hängen der Hügel emporziehenden alten Stadtteilen mit den vielen kleinen buntbemalten Häusern, den Wandgemälden und den großformatigen Graffitibildern. Die gesamte Altstadt von Valpo, wie die Stadt von den Einheimischen genannt wird, wurde im Jahr 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Valparaiso ist Heimat der Bohéme und der kreativen Köpfe geworden. Die lokale Regierung unterstützt und fördert mittlerweile die Streetart-Kultur. Als Ergebnis ist die Stadt mit Weltklasse-Straßenkunst bedeckt. Hotels, Geschäfts- und Wohnhäuser werden heute bewusst mit buntbemalten Fassaden ausgestattet und bilden den Rahmen für die äußerst facettenreichen Wandmalereien.

Doch der Reiz von Valparaiso besteht nicht nur aus den vielen bunten Häusern und aus den allgegenwärtigen Graffiti, sondern auch in seiner Topographie und darin, dass viele der alten Strukturen der Stadt sich – oft aus Geldmangel in Zeiten des wirtschaftlichen Niedergangs – bis heute erhalten haben.
 Mehr als 40 Hügel umsäumen die Hafenstadt und den Küstenstreifen vor der Weite des Pazifiks. Ein kompliziertes Geflecht von Gassen, Gängen und Treppen, sowie verwirrende Wege bilden ein urbanes Labyrinth. Valparaiso hat den Ruf, ein Irrgarten zu sein. 


[Quelle: http://worldwidewave.de/valparaiso-suedamerikas-bunteste-waende, November 2020]


Graffitikultur 


Valparaíso wae schon immer bunt. Viele der einfachen Holz- und Blechhütten, aber auch einige der prächtigen Villen, haben blaue, gelbe, rote, grüne oder kunterbunte Außenwände mit Fensterrahmen in knalligen Farben. Es wird erzählt, dass früher die Fischer ihre Häuser unterschiedlich anmalten, um sie bei der Arbeit vom Wasser aus sehen zu können. Eine andere Geschichte besagt, dass die Werftarbeiter Reste vom Schiffslack der Reedereien mit nach Hause nehmen durften und ihre Wände damit bemalten. Es blieb nicht beim einfachen Anstrich, die talentierteren Anwohner zeichneten mit Pinseln und Rollen ihre farbenfrohen Lieblingsmotive in der Tradition der typisch lateinamerikanischen “Murales” auf die Steine. Das lockte einheimische Künstler und Kreative an, die den weniger begabten Hausbesitzern Bilder auf die Mauern malten. Dann zogen auch immer mehr Auswärtige nach Valparaiso: Dichtung, Musik und Malerei spielten in der Stadt eine große Rolle, zahlreiche chilenische Künstler und die, die sich dafür hielten, ließen sich hier nieder. Valparaiso ist Heimat der Bohéme und der kreativen Köpfe geworden. 
Die bunten Häuser, aber auch die faszinierende Graffitikultur in der Stadt, breiteten sich aber erst seit dem Jahr 1990 so richtig aus. Eine Stiftung, welche die Stadtentwicklung in der chronisch klammen Hafenstadt unterstützen wollte, setzte auf Open Air Kunst. Sie bot zwanzig renommierten Künstlern die Möglichkeit, Häuser und Wände zu gestalten. „Cielo Abierto“ – offener Himmel – so hieß das Projekt, das eine Initiative von Kunststudenten aufgriff, die bereits 1969 damit begonnen hatten, sich der Wände der Hafenstadt zu bemächtigen. Die zweite Generation der Maler und Sprayer wurden zu Beginn der 90er Jahre eingeladen, Straßen, Mauern und Treppen auf dem Cerro Bellavista zu verzieren. 
Nach dem Militärputsch in Chile im Jahr 1971 waren die Medien von der Pinochet-Junta kontrolliert und wurden zensiert. Das heimliche Anbringen von Graffiti war eine Möglichkeit, Protest gegen die Regierung in die Welt zu schreien. Wandbilder mit dicken Rändern und einfachen Farben haben oft politischen Hintergrund, sie waren einst ein Markenzeichen kommunistischer Künstler, die im Widerstand gegen Pinochet waren. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei – und Graffiti ist in Valparaiso inzwischen so anerkannt, dass es der Stadtverwaltung längst nicht mehr darum geht, sie zu bekämpfen, sondern darum, sie zu fördern und zu steuern. Denn die Graffiti in Valparaiso sind längst eine herausragende Touristenattraktion.


[Quelle: https://www.schwarzaufweiss.de/chile/valparaiso.htm, November 2020]

„Du bist ein Regenbogen vielfältiger Farben
Valparaiso du großer Hafen“ (Pablo Neruda)